Aus der NGZ vom 5. März 2004
Vortrag der Hospizbewegung: Das neue Bestattungsgesetz und seine Auswirkungen in der Stadt Kaarst
Die Schweizer Almwiese als letzte Ruhestätte

Kaarst. Steht die Urne der Verstorbenen bald auf dem Kaminsims der Angehörigen, werden die Toten nur noch in Tüchern statt in Särgen begraben? Zum 1. September 2003 war ein neues Landes-Bestattungsgesetz in Kraft getreten, zurzeit arbeitet die Stadt Kaarst an einer Neufassung der Friedhofssatzung. Auf Einladung der Kaarster Hospizbewegung informierte der Bestatter Rainer Bückendorf im "Haus der Senioren" über das neue Bestattungsgesetz und – soweit dies schon feststeht – über die Umsetzung in Kaarst. Fest steht folgendes: Künftig sollen auch Tot- und Fehlgeburten auf dem Friedhof beigesetzt werden können, ebenso Leibesfrüchte aus Schwangerschaftsabbrüchen, wenn einer der Elternteile dies wünscht.

Rainer Bückendorf ging auch auf die im Ausschuss bereits mehrfach diskutierten Friedwälder ein: "Wie bei Seebestattungen muss der Verstorbene zu Lebzeiten geäußert haben, dass er diese Form der Bestattung wünscht. In Kaarst wird es wohl – nicht zuletzt wegen der geringen Waldflächen – keinen Friedwald geben. Der 36jährige Bestatter wies auf eine Alternative hin: "In der Schweiz kann man sich unter einem Baum oder auf einer Almwiese anonym bestatten lassen – ich habe allerdings noch keine entsprechende Anfrage gehabt." Entsprechende Verfügungen müssten so hinterlegt werden, dass sie auch rechtzeitig zur Kenntnis genommen werden können. So sollte der Wunsch bezüglich der Art der Bestattung nicht im Testament vermerkt werden – wenn dies eröffnet wird, ist es nämlich zu spät, dem Willen des Verstorbenen zu entsprechen. Wie ist das mit der Urne zum Mitnehmen? "Der Platz muss öffentlich zugänglich sein", so Rainer Bückendorf. Was er nicht nachvollziehen kann: Wird eine anonyme Urnenbestattung in Kaarst gewünscht, findet die Beisetzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, also auch der Angehörigen statt.

Künftig sollen auch anonyme Erdbestattungen möglich sein. "Dass eine anonyme Bestattung bislang zwingend eine Feuerbestattung sein musste, habe ich nie so recht verstanden", so Bückendorf. In der Diskussion seien auch teilanonyme Bestattungsfelder: Hier sollen auf Stelen die Namen der Bestattungen stehen. Kleidung aus Baumwolle oder anderen Naturmaterialien müssen es künftig sein, die der Verstorbene trägt. Ein Reizwort in Zusammenhang mit dem neuen Landesbestattungsgesetz lautet "Leichentuch" – es war jetzt auch im Haus der Senioren ein Thema. "Ich habe eine solche Beerdigung noch nie praktiziert", gestand Reiner Bückendorf. Sabine Kühl, Mitglied des Umwelt- und Landschaftsausschusses, beschrieb: "Der Verstorbene soll im Sarg bis zum Grab gebracht werden – dann wird er von Familienangehörigen aus dem Sarg geholt und ins Grab gelegt."

Wenn schon mal ein Bestatter als Gesprächspartner zur Verfügung steht, müssen auch ausgefallene Fragen erlaubt sein: "Ist nach 25 Jahren der Schädel nicht schon verrottet?", wollte jemand wissen. "Teile des Schädels und der Oberschenkelknochen werden nach dieser Zeit noch erhalten sein", so Bückendorf. Wenn jemand eine Grabstätte kauft und noch Knochenreste vorgefunden werden, werden diese – so erfuhren die Zuhörer – nicht aus dem Grab entfernt, sondern "tiefergelegt".

Rudolf Barnholt

Mit freundlicher Genehmigung der Neuß-Grevenbroicher Zeitung

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