Aus der NGZ vom 12. September 2003
Vortrag der Kaarster Hospizbewegung: "Intensiver leben"
Viele unterschiedliche Speisen vom großen Buffett des Lebens probieren

Kaarst. Eines ist sicher: Der Tod kommt unweigerlich auf jeden Menschen zu. Wie soll das Leben unter diesem Aspekt gestaltet werden? Auf Einladung der "Hospizbewegung Kaarst e.V." sprach jetzt die Diplom-Psychologin und Autorin Dr. Daniela Tausch-Flammer im Vinzenz-Haus zum Thema "Jeder Tag ist kostbar – Endlichkeit erfahren – intensiver leben". Die 42-jährige, die ein Hospiz in Stuttgart aufgebaut und geleitet hat, hat immer wieder folgende Erfahrung gemacht: "Diejenigen, die auf dem Sterbebett das Gefühl haben , ihr Leben gelebt zu haben, können am besten loslassen".

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, und das aus gutem Grund. Das Thema geht jeden an und die Referentin verstand es, auf sehr eindrückliche Weise ihre Thesen zu vermitteln – kein Wunder, dass die Zuhörer ihr gebannt lauschten. Was die jetzt in Bremen lebende Psychologin kritisierte: "Wir wissen, dass der Tod auf uns zukommt und bereiten uns doch so gut wie gar nicht darauf vor". Dabei helfe der Gedanke an den Tod, zu Lebzeiten zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem zu unterscheiden. Es gehe nicht darum, die schwere, dunkle Seite des Todes zu verleugnen. Trotzdem riet die Referentin, aus der Auseinandersetzung mit der Endlichkeit unserer Existenz Konsequenzen zu ziehen. Es gelte, "das Lebensgefäß voll zu machen". Dr. Tausch-Flammer verglich das Leben mit einem großen Buffett: Man solle sich nicht nur auf wenige Speisen, von denen man ganz sicher weiß, dass sie einem schmecken und bekommen, beschränken, sondern dies und das probieren. Ansonsten hätte man möglicherweise etwas zu bereuen, wenn das Buffett plötzlich geschlossen wird. Wie kann dieses persönliche "Lebensgefäß" denn aufgefüllt werden? "Wir sollten mehr in der Gegenwart leben", riet die Referentin. Jeder müsse ein Gespür für die Kostbarkeit des Moments entwickeln und sich fragen: Welche Lebensträume verschiebe ich immer wieder nach hinten? Gedanken wie "das kann ich nicht" oder "da blamier ich mich" ersticken so manche Idee. Dr. Daniela Tausch-Flammer ermunterte zu mehr Mut, Fehler zu machen. Außerdem mahnt sie, sich mehr Zeit zu lassen, zum Beispiel fürs Essen. Außerdem müsse sich jeder mit folgenden Fragen auseinander setzen: Wer bin ich? Was sind meine Wünsche? Was begeistert und beseelt mich? Ihre Anregung in diesem Zusammenhang: "Wir sollten viel neugieriger sein, was sonst noch in uns steckt". Begabungen sollten nach Möglichkeit ausgelebt werden – die Referentin empfahl eine "Entdeckungsreise zu sich selbst". Sie selbst versuche, regelmäßig so genannte Ja-Tage einzulegen, an denen sie ja sagt selbst zu schlechtem Wetter oder zu aufkommender Traurigkeit.

Ein etwas überraschender Tipp von einer so energiegeladenen Person: "Ich weine regelmäßig: Das ist eine gute Möglichkeit um loszulassen und bei sich anzukommen".

barni

Mit freundlicher Genehmigung der Neuß-Grevenbroicher Zeitung

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